Drei Endorfer Triathleten beim Pässe-Radeln in den Pyrenäen - Auf den Spuren der Tour de France

Auch wenn der Mythos der Tour de France durch viele Dopingfälle hierzulande einen Knacks bekommen hat – die Strecken der Tour und vor allem ihre Pässe sind landschaftlich schön und legendär und nach wie vor reizvolle Ziele für Rennradfahrer. Nachdem Koni Berger und ich vor drei Jahren schon in der Gegend von Briancon in den Alpen zum „Pässe-Sammeln“ unterwegs waren, machten wir uns heuer vom 12. bis 19. Juli zusammen mit Anton „Ducki“ Schatzeder auf in die Pyrenäen. Wir hatten eine Ferienwohnung in Bagnères-de-Bigorre reserviert, einer Ortschaft mit ca. 8.000 Einwohnern direkt am Fuß der Berge. Von dort aus machten wir sechs Radausfahrten, fünf direkt „von der Haustür weg“ und nur einmal nahmen wir das Auto zur Verkürzung der Anfahrt zu Hilfe.

 

Unser Vermieter entpuppte sich selbst als ambitionierter  Rennradler und war gleich mit Tipps zur Ausflugsgestaltung sowie mit Kartenmaterial zur Hand, was wir gerne akzeptierten.

 

Am Sonntag – wir waren nach der 1.500-km-Anreise von Vortag noch etwas müde-  ließen wir es ruhig angehen und fuhren von unserem 570 m hoch gelegenen Appartement auf den Col d’Aspin (1489 m)und in einer großzügigen Nordschleife über ruhige, aber gute Straßen über den kleinen Pass Col de Coupe und die Ortschaft Escaladieu wieder zurück nach Bagnères (86 km, 1550 mH). Dabei war es bewölkt, aber warm und trocken. Am Abend verfolgten wir in einer Kneipe den deutschen Fußball-WM-Sieg. Koni brachte daraufhin eine kleine deutsche Flagge an seinem Radl an.

 

Der Montag – in Frankreich Nationalfeiertag - begann wettermäßig recht durchwachsen, das heißt mit tiefhängenden Wolken, aus denen es immer wieder regnete. Ein erster Ausflugsversuch wurde deshalb abgebrochen und ich legte mich danach resigniert wieder aufs Ohr, während es Ducki und Koni dermaßen in den Beinen juckte, dass sie trotz dichter Wolkendecke um 14 Uhr Richtung Col de Tourmalet (2115 m) starteten und die Passhöhe in 1:59 Stunden erreichten. Die Sicht war oben sehr spärlich und die Abfahrt kühl, aber es blieb trocken und so hatten sie in vier Stunden neben 60 km und 1.700 mH den sogenannten „Vater aller Tour-Pässe“ eingesackt.

 

Der nächste Tag brachte Kaiserwetter und die Königsetappe. Schon die Anfahrt im sanften Morgenlicht über Lourdes nach Argeles-Gazost am Fuß des Haupanstiegs war ein Highlight. Die Landschaft entlang der weiteren Straße zum Col Soulor (1474 m) war gewaltig und die benachbarten 3000er machten deutlich, warum das Departement „Hautes Pyrénées“ heißt: massive Felsberge, die auf der uns zugewandten Nordseite noch eine gute Schneeauflage hatten. Danach führte der Weg spektakulär weiter zum Col d’Aubisque (1764 m), sicher die schönste Strecke der ganzen Woche. Nach der Pause auf der Passhöhe mit Omelett und Radler (gibt’s tatsächlich auch in Frankreich) fuhren wir auf einer ziemlich welligen Nordschleife wieder nach Hause, so dass am Ende des Tages 155 km und 2650 mH erreicht waren.

 

Am Mittwoch radelten wir nochmals Richtung Südosten, zunächst über einen wunderschönen Pass praktisch ohne jeden Autoverkehr und mit dem unaussprechlichen Namen „Hourquette d’Anzican“ (1564m). Bei der Auffahrt trafen wir einen französischen Rennradler, der uns mit guten Tipps für die weitere Fahrt versorgte. Wir folgten seinen Anregungen , ließen den Klassiker „Pla d’Adet“ rechtsliegen und fuhren über den Col d’Azet (1580 m) hinunter zum schön gelegenen See Lac de Loudenvieille (942 m) und zum dringend notwendigen Mittagessen. Da das Thermometer deutlich über 30 Grad anzeigte, machten wir es uns im und am See gemütlich, da ja der harte Anstieg über den Col d’Aspin – diesmal aber über die Südseite - noch bevorstand. Nach zwei Stunden machte ich mich mit Koni auf, bei 35 Grad und bis zu 9% Steigung die 800 mH zur Passhöhe anzupacken, Ducki hatte aber immer noch nicht genug und legte vorher noch einen Abstecher mit 630 mH zum Col de Peyressourde hin, einem landschaftlich nicht so beeindruckenden Pass, aber eben einem Klassiker, der schon 62mal im Tour-Programm stand. Wir kämpften uns alle vom Talort Arreau aus hinauf zur Passhöhe, wo es kühle Getränke gab und von dort aus ließen wir es bis zu unserer Haustür hinuterrauschen (Koni und ich 115 km, 2700 mH; Ducki 131 km, 3330 mH).

 

Am Donnerstag durfte ich dann endlich auch auf den Tourmalet (2115 m). Der Abwechslung halber bauten wir den Pass in eine 100-km-Schleife über Lourdes und Luz-St-Saveur ein, die wir bei bestem aber auch wieder sehr warmem Wetter befuhren. Der Westanstieg (im Gegensatz zu der von Koni und Ducki vorher schon befahrenen Ostrampe)  ist 18 km lang, überwindet gut 1400 mH und wird dabei immer steiler, der letzte Kilometer hat glatte 10% Durchschnittssteigung. Auch hier führte die anschließende Abfahrt 30 km ständig bergab bis zu unserem Appartement – zum Teil durch schöne Landschaft, zum Teil aber auch durch hässliche Hotel- und Liftbauten, denn Wintersport wird in diesem Teil der Pyrenäen offensichtlich groß geschrieben (101 km, 2000 mH).

Natürlich waren auf allen Straßen und Pässen, die in der darauffolgenden Woche von der Tour de France befahren wurden, alle verfügbaren Arbeitskräfte im Einsatz um alles so gut wie möglich vorzubereiten. Überall wurde gemäht, gekehrt und aufgeräumt um bei der Berichterstattung im Fernsehen, die in Frankreich natürlich sehr ausführlich ist, einen guten Eindruck zu machen.

 

Auch am Freitag war das Wetter (zunächst) bestens. Diesmal fuhren wir mit dem Auto bis Luz-St.Saveur und von dort aus hinauf zur Schistation Luz-Ardiden  (1715 m), das ist der Anstieg auf dem sich Lance Armstrong‘s Bremsgriff 2003 in der Einkaufstasche einer Zuschauerin verfangen hatte, mancher erinnert sich vielleicht noch an diese Szene. Die Schistation war zwar wieder  hässlich, der Anstieg dorthin aber sehr schön, beste Straßenverhältnisse und kaum Verkehr. Die Abfahrt erfolgte auf dem gleichen Weg. Um den Tag und auch die Woche abzurunden, wollten wir dann noch zum sogenannten „Cirque de Gavarnie“ radeln, einem imposanten Felsenkessel knapp an der spanischen Grenze – der einzige Punkt der ganzen Woche, der mit der Tour de France rein gar nichts zu tun hat. Als aber nach der Mittagspause in Gedre dunkle Wolken aufzogen und es zu tröpfeln begann war meine Motivation zum Weiterfahren dahin, ich wollte mir die perfekte Woche nicht von einer Abfahrt im Gewitterregen verderben lassen. Drum kehrte ich um und fuhr ins Tal zum Auto bzw. ins Schwimmbad zurück. Koni und Ducki ließen sich aber nicht drausbringen und setzten die Fahrt nach oben fort. Sie hatten Glück, die Wolken verzogen sich wieder und sie erreichten den letzten befahrbaren Punkt auf einer Höhe von ca. 2200 m. Ein bisschen traurig war ich natürlich schon, dass ich nicht dabei war, weil sie von der gewaltigen Landschaft da oben schwer beeindruckt erzählten, aber mein Akku war ohnehin schon ziemlich leer gewesen und ich war mir nicht sicher, ob ich mithalten hätte können (Ich 50km, 1270 mH; Koni und Ducki 80 km, 3000 mH).

 

Der letzte Abend wurde mit einem anständigen Pizza-Essen in Bagnères de Bigorre begangen, dann hieß es zusammenpacken und am Samstag wieder 1.500 km zurückfahren. Der Mont Ventoux lachte auf dem Heimweg noch zu uns herüber, aber wir hatten  keine Zeit mehr dafür. Vielleicht ein Grund, sich wieder einmal auf die Spuren der Tour de France zu begeben...

21.08.2014 Wunder/b)